Um die Ursprünge des Muay Thai ranken sich viele Mythen. Einer besagt, dass Muay Thai bereits von den ersten Siedlern aus China mitgebracht wurde. Eine weitere, dass die Kampfkunst von den Burmesen übernommen und weiterentwik-kelt wurde. Genaueres Wissen dazu existiert nicht, da die Quellen bei der Erobe-rung von Ayutthaya (1763) von den Burmesen vernichtet wurden. Allgemein kann von einem Mindestalter von 800 – 1000 Jahren ausgegangen werden! Früheste schriftliche Quellen lassen sich auf das 17. Jahrhundert datieren.
Klar ist jedenfalls, dass Muay Thai den Kriegskünsten des alten Siam entspringt. Ursprünglich war es Teil der militärischen Ausbildung der Thai Soldaten. Wenn ein Krieger im Kampf seine Waffen verlor, musste er sich auch unbewaffnet verteidi-gen können. Muay Thai (thailändisches Boxen), beziehungsweise Muay Boran (Altes Boxen) wurde aus dem Krabi Krabong (thailändischer Waffenkampf) ent-wickelt. Wer Krabi Krabong praktiziert, wird sehen, wie viele Techniken des Muay Thai aus dieser Kampfkunst abgeleitet wurden. So ist etwa die Technik, Ellenbo-gen zu blocken, dem Daab Doppel Schwerkampf entnommen.
Muay Thai als „Sport“, also abseits des Kriegsfeldes, lässt sich erst ab der Herrscherzeit von König Prachao Sua (1697-1709) feststellen. In Friedenszeiten wur-den innerhalb des Militärs gekämpft und trainiert, um die Armee fit und kampfbe-reit zu halten. Aber auch in der Bevölkerung verbreitete sich Muay Thai immer stärker. Zu dieser Zeit wurden Muay Thai Kämpfe aus Anlass religiöser Feste durchgeführt. Kleinere Turniere fanden überall im Lande statt. Auch der König selbst war ein großer Liebhaber des Muay Thai und selbst ein großer Kämpfer. Maskiert soll er an zahlreichen dieser Wettbewerbe teilgenommen haben und zahlreiche lokale Champions geschlagen haben.
Einer der legendärsten Kämpfer war Nai Khanom Tom ein erfahrener Muay Thai Kämpfer. Er war 1763 von den Burmesen bei der Eroberung von Ayutthaya zu-sammen mit weiteren Muay Thai Kämpfern gefangen genommen worden. 1774 fand in Rangoon, der burmesischen Hauptstadt, ein 7tägiges religiöses Fest zu Ehren Buddhas statt. Aus diesem Anlass ließ der burmesische König einen Ver-gleichskampf von burmesischen Lethwei Kämpfern und den gefangenen Muay Boran Kämpfern veranstalten. Nai Khanom Tom sollte gegen den burmesischen Champion antreten. Nach der Aufführung des Whai Kru, besiegte der Thai seinen burmesischen Gegner klar durch K.O. In Folge schlug er noch weitere neun bur-mesische Kämpfer ohne dazwischen zu pausieren! Der König war von der Lei-stung des Muay Thai Kämpfers derart beeindruckt, dass er ihm die Freiheit sowie zwei Sklavinnen schenkte.
Als 1868 König Rama der V. die Thronfolge antrat, begann ein goldenes Zeitalter für Thailand. Auch Muay Thai wurde stark gefördert und fand noch weitere Ver-breitung. Zu dieser Zeit begannen Meister des Muay Thai, meist ehemalige Kämpfer und alte Soldaten, Muay Thai in Camps zu unterrichten. Zu dieser Zeit entstand das System, dass Muay Thai Schüler in einem Camp lebten und dort trainierten. Auch nahmen die Kämpfer den Namen des Camps als ihren eigenen Nachnamen an. In den Camps wurde wie in einer Familie zusammengelebt. Aus diesem Grund ist ein Muay Thai Trainer auch mehr als ein Trainer. Traditionell übernimmt er fast so etwas wie eine Vaterrolle für seine Schüler.
Muay Thai ist ein harter Sport und wurde zu diesen Zeiten noch mit einem mini-malen Regelwerk praktiziert. Es gab keine Rundenzeiten, gekämpft wurde solange bis einer der Kämpfer aufgab oder nicht mehr weiter kämpfen konnte. Die Hände und Arme wurden mit Hanfbandagen umwickelt, die oft zusätzlich im Wasser ge-härtet wurden. Unter diesen Umständen kam es daher oft zu schweren Verletzun-gen oder sogar Todesfällen.
Ab den 30er Jahren unter der Regentschaft von König Rama VII wurde daher ein einheitliches Regelwerk, sowie das Tragen von Boxhandschuhen (nach den engli-schen Queensbury Regeln) für Muay Thai eingeführt, um Muay Thai zu einem si-cheren Ringsport des 20. Jahrhunderts zu machen. In der weiteren Folge wurden Gewichtsklassen und Runden sowie Pausenzeiten eingeführt. Bereits in den 20er Jahren setzte sich der Begriff Muay Thai anstatt des bis dahin üblichen Muay Bo-ran durch.
Bis in die 70er Jahre wurde Muay Thai zum Volkssport und Massenentertainment, dass in Thailand ungefähr eine ebenso große Rolle spielt wie hierzulande der Fußballsport. Muay Thai wird als Profi- und Amateursport im ganzen Land ausge-übt. Zur Zeit gibt es ca. 60.000 aktive Profikämpfer in Thailand (verglichen mit et-wa 6000 Profiboxern in den USA!). Die bekanntesten Stadien sind das Raja-dermnon und das Lumpinie Stadion in Bangkok. Muay Thai wird quasi täglich im Fernsehen übertragen. Alle Zeitungen berichten über den Sport. Anlässlich des Geburtstages des Königs wird alljährlich im Dezember der Kings Cup, ein interna-tionales Profi Muay Thai Turnier ausgetragen, zu dem Hunderttausende als Zu-schauer strömen. Ganz Bangkok ist dann in der königlichen Farbe Gelb gekleidet.
In den späten 80er Jahren wurde Muay Thai von der Thailändischen Regierung als internationaler Sport anerkannt. Muay Thai sollte als Amateur- und Profisport unter einem Weltverband nach einheitlichen Regeln international verbreitet wer-den. Muay Thai sollte als wichtiger Teil der thailändischen Kultur, als Kampfkunst und als Ringsport verbreitet werden. Ziel war dabei die Aufnahme von Muay Thai bei den Southeast Asian Games (SEA Games), den Asia Games, der GAISF, so-wie in naher Zukunft als olympischer Sport.
1989 wurde zu diesem Zweck auf einem internationalen Treffen die IFMA (Inter-national Federation of Muay Thai Amateurs) gegründet. Am 5. Dezember 1994 fanden die ersten Weltmeisterschaften unter der Schirmherrschaft des thailändi-schen Königs statt.
International fand Amateur Muay Thai eine immer größere Verbreitung.
2006 wurde die IFMA als einziger relevanter Muay Thai Amateurverband von der GAISF anerkannt. Eine wichtiger Schritt auf dem Weg zur olympischen Anerken-nung!
Heute hat die IFMA bereits über 110 Mitglieder auf allen fünf Kontinenten der Welt und hat sich damit als einziger relevanter Weltverband durchgesetzt.
Aber nicht nur als Amateursport, sondern auch als Profisport sollte Muay Thai in-ternational verbreitet werden. Zu diesem Zweck wurde 1995 die WMC (World Muay Thai Council) gegründet um traditionelles Muay Thai als Profisport zu ver-breiten. Hierbei hat die WMC Konkurrenz durch zahlreiche Verbände und es sind international zahlreiche Regelwerke verbreitet, die oft nur noch am Rande etwas mit Muay Thai zu tun haben.
Seit Mitte der 90er setzt sich die WMC als einzig relevanter Profiverband für Muay Thai immer mehr durch und hat inzwischen 120 Mitglieder auf allen fünf Kontinent der Welt. Die WMC ist eine demokratische Organisation. Alle vier Jahre werden die Wahlen abgehalten.
Zahlreiche berühmte Kämpfer haben die Verbände IFMA- WMC als Sprungbrett genuzt. So beispielsweise Buakaw Por Pramuk oder auch Alexey Ighnasov.
International macht die WMC aktuell mit zwei Formaten auf sich aufmerksam: zum einen die „Contender Asia“ Serie, zum anderen mit der WMC Super 8. Die WMC Super 8 ist ein Qualifikationsturnier, dass den jeweiligen Sieger zur Teilnahme am Kings Cup in Bangkok berechtigt.
Muay Thai in Deutschland
Mitte der 70er reisten zwei Thailänder durch Deutschland und demonstrierten ihre Kampfkunst bei zahlreichen Gelegenheiten. Muay Thai konnte sich aber nicht durchsetzten, da vielen dieser Kampfsport als zu hart erschien und es keine aus-gebildeten Trainer gab.
Letztendlich begann der Siegeszug des Muay Thai in Holland, um genau zu sein in Thom Harincks Chakuriki Dojo. Kämpfer des Dojos waren Mitte der 70er Jahre nach Bangkok gefahren um gegen Thai Boxer anzutreten. Sie wurden dort ver-nichtend geschlagen. Beindruckt von der Effektivität dieser Kampfkunst blieb Thom Harinck in Thailand, um diese vor Ort zu erlernen.
Bald darauf wurden in Holland erste Kämpfe veranstaltet. Um zu verhindern, dass Muay Thai in Europa verboten würde, einigte man sich darauf, im Kampf keine Ellenbogen- und Kniestösse ins Gesicht zu verabreichen.
1981 nahmen dann Vertreter des Bujin Gym Rommerskirchen Kontakt mit Thom Harinck auf und begannen an zahlreichen Seminaren teilzunehmen. So kam Det-lef Türnau, der heutige Bundestrainer zum Muay Thai. Der Kempo und Tek Kwon Do erfahrene Türnau ließ es sich aber nicht nehmen im Heimatland des Muay Thai zu trainieren und dürfte heute einer Derjenigen sein, die am meisten Zeit in Thailand vebracht haben. Seit dieser Zeit wird im Bujin Gym Muay Thai trainiert und es ist heute das Bundes leistungszentrum für Muay Thai.
1984 wurde der Muay Thai Bund Deutschland (MTBD) gegründet, der heute der stärkste Verband in Deutschland ist und als einziger von Thailand aus anerkannt ist, sowohl das Amateur wie auch das Profi Muay Thai zu vertreten.
Zuerst hatte der MTBD es schwer in Deutschland. Zahlreiche Vertreter anderer Kampfkünste fürchteten Konkurrenz oder mißverstanden die neue Kampfkunst als regelloses Prügeln. Nach und nach jedoch setzte sich der MTBD immer mehr durch und ist heute in seinem 25. Bestandsjahr der größte und akviste Verband in Deutschland.
Anfag der 90er kam es zu einer weiteren wichtigen Entwicklung. Im Zuge der von Thailand aus favorisierten internationalen Verbreitung von Muay Thai setzte sich auch in Deutschland das Amateur Muay Thai durch. Endlich wurden auch auslän-dischen Trainern das ursprüngliche Muay Thai gelehrt. Krabi Krabong, Nuat Phen Tai und Muay Boran sind heute Teil der Trainierausbildung im MTBD und keiner hält mehr einen Whai Kru für einen thailändischen Schuplattler.
Der Amateur Muay Thai Wettkampf führte zu einer massiven Ausweitung bei der Teilnahme von Athleten (und auch Athletinnen!) an Wettkämpfen. Dies wiederum führte zu einem immer höherem Niveau, da immer mehr Kämpfe und Turniere veranstaltet wurden und die Kämpfer immer mehr Erfahrung sammeln können.
Kämpfte der durchschnittliche Amateur bis Anfang der 90er vielleicht 4-5 Mal im Jahr (wenn überhaupt Gegner da waren!) so kommen die Athleten heute, auch dank des Amateur Turnier Modus, auf bis zu 15 Kämpfe pro Jahr.
Die Kämpfer gelangen viel schneller in die A und B Klasse und davon profitiert auch der Profisport. Denn auf großen Galas wollen die zahlenden Zuschauer schließlich austrainierte erfahrene Kämpfer und Kämpferinnen sehen und keine Anfänger.
Anfangs hatte sich der MTBD der International Muay Thai Federation (IMTF), einem vielversprechenden Amateurweltverband mit Sitz in Manchester, angeschlos-sen. Zu Beginn leistete dieser Verband auch gute Arbeit. Mit den Jahren kam es jedoch zu immer mehr Ungereimtheiten in der Verbandsführung und auch von der thailändischen Regierung wurde die International Federation of Muay Thai Ama-teurs (IFMA) favorisiert, da sie einfach professioneller arbeitete.
Zu Beginn des 21. Jahrhunderts wechselste auch der MTBD zur IFMA und ist seitdem Teil des international führenden Verbandes. Auch in Deutschland ist man damit einen Schritt auf dem Weg zur olympischen Anerkennung weiter und be-wegt sich von der Randsportart zum Breitensport.